Die lange angekündigten und heute verkündeten Vorschläge von Bundesministerin Steffi Lemke zum erleichterten Abschuss von Wölfen beschränken sich auf bloße Ratschläge an die Bundesländer. Den bestehenden Rechtsrahmen des § 45a Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) hält die Ministerin zwar selbst für praxisuntauglich. Dennoch will sie ihn aber nicht ändern, sondern sie verschiebt die Verantwortung auf die Länderebene.
Für die Weidetierhalter in Deutschland sind die heutigen Ankündigungen von Frau Bundesministerin Lemke eine herbe Enttäuschung. Anstatt endlich Vorschläge für ein „regional differenziertes Bestandsmanagement" zu machen, wie es die Ampelparteien in ihrem Koalitionsvertrag (S. 38) ausdrücklich vereinbart haben, beschränkt sich die Ministerin auf wohlmeinende Ratschläge an die Länder zu einem schnellen Abschuss von übergriffigen Wölfen in Regionen mit erhöhtem Rissvorkommen.
Einer Regulierung der Wolfsbestände ohne konkreten Rissanlass erteilte die Ministerin hingegen eine kategorische Absage.
Damit bleibt die Ministerin weit hinter den Forderungen der Unionsfraktion, aber auch der FDP nach einem sofortigen Bestandsmanagement zurück. Offenbar misstraut die Ministerin auch einer gesetzgeberischen Beratung im Deutschen Bundestag, denn mit dem Argument, nationale Gesetzesänderungen seien zu langwierig, lehnt sie eine Korrektur der einschlägigen Bestimmungen des § 45 BNatschG ab. Dies ist umso bezeichnender, als Ministerin Lemke in ihrer heutigen Pressekonferenz selbst eingeräumt hat, dass der bestehende Rechtsrahmen sich als völlig praxisuntauglich erwiesen hat.
Entgegen ihrer Ankündigung führen die Vorschläge der Bundesministerin Lemke weder für die Bundesländer noch für die betroffenen Rechtsanwender zu mehr Rechtssicherheit. Der von ihr angestrebte Beschluss der Umweltministerkonferenz wäre eine bloße politische Willensbekundung, schafft aber keinen verbindlichen Rechtsrahmen. Kriterien für die Definition von Regionen mit erhöhtem Rissvorkommen lässt die Ministerin offen. Die zeitliche Begrenzung einer Abschussgenehmigung auf 21 Tage ab Rissvorkommen oder Zugang der Genehmigung ist willkürlich und ebenso praxisfern wie die örtliche Beschränkung auf einen Umkreis von 1000 m von der Rissstelle. Nach einem Rissereignis wird ein Weidetierhalter seine Herde vielfach auf eine andere Grünlandfläche verlagern. Soll dort allen Ernstes die Abschussgenehmigung dann nicht mehr gelten, bloß weil die Herde sich jetzt mehr als 1000 Schritte von der alten Rissstelle entfernt aufhält oder das Rissereignis bereits mehr als drei Wochen zurück liegt?
Ministerin verkennt das wahre Gefährdungspotential
Wie realitätsfern die Vorschläge der Bundesumweltministerin sind, zeigt sich auch daran, dass ihre Ratschläge nur auf die zeitlich und örtlich beschränkte Entnahme eines konkreten schadenstiftenden Wolfes abzielen. Erst wenn ein bestimmter Wolf in einer noch zu definierenden Region trotz zumutbarer Herdenschutzmaßnahmen Weidetiere gerissen hat, soll er abgeschossen werden. Dabei verkennt die Ministerin aber das wahre Gefährdungspotenzial, das für Menschen und selbst gut geschützte Weidetiere von Wölfen ausgeht. Weidetiere, insbesondere Pferde, Rinder oder Mutterkuhherden geraten bereits in Panik, wenn sich Wölfe ihren eingezäunten Flächen nähern. Sie durchbrechen dann panikartig und kopflos selbst massive Weidezäune und rennen auf vielbefahrene Straßen oder Eisenbahnstrecken. Ein proaktives Reaktionsmanagement müsste deshalb bereits dann einsetzen und Wolfsabschüsse ermöglichen, wenn sich Wölfe Weidetieren auf weniger als 200 m genähert haben.
Eklatante Unkenntnis im Artenschutzrecht
Ihre Rechtsvergessenheit hat Bundesministerin Lemke auch in ihrer Pressekonferenz verdeutlicht, als sie auf Journalistenanfrage behauptete, eine Änderung des Schutzstatus des Wolfes auf europäischer Ebene von Anhang IV auf Anhang V der FFH-Richtlinie würde nichts daran ändern, dass Wölfe nur aufgrund von Einzelgenehmigungen erlegt werden dürften. Damit hat die Ministerin einmal mehr ihren artenschutzrechtlichen Blindflug offenbart, denn Anhang V-Arten können in den Mitgliedstaaten dem Jagdrecht unterworfen werden, so dass deren generelle Bejagung im Rahmen ausgewiesener Jagd- und Schonzeiten durchaus möglich ist. Deshalb verfängt auch nicht der Hinweis der Ministerin, das anlasslose Töten eines dem Jagdrecht unterstellten Wolfes sei ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz. Nach einhelliger Rechtsmeinung ist der Abschuss eines Tieres im Rahmen geltender jagdrechtlicher Bestimmungen und befugter Jagdausübung ein vernünftiger Grund und somit stets rechtskonform.“
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