Münsteraner Erklärung

CDU-Landesgruppe Nordrhein-Westfalen im Deutschen Bundestag


Münsteraner Zehn-Punkte-Erklärung

Wohnen zwischen Eigentumsbildung und neuer sozialer Frage


Ein sicheres Zuhause ist Grundbedingung für eine gute Lebensqualität in unserer offenen Gesellschaft. Wir wollen, dass sich alle Menschen in ihrer Heimat wohlfühlen – in der Stadt und auf dem Land, in einer Wohnung und in einem Einfamilienhaus, als Mieter und als Eigentümer. Das Zuhause ist mehr als vier Wände, es bietet Schutz und Privatsphäre.


Wir unterstützen alle, die sich ein Eigenheim oder eine eigene Wohnung wünschen. Wohneigentum schafft persönliche Unabhängigkeit in der Lebensgestaltung und gibt Sicherheit, auch für die eigene Altersvorsorge. Trotzdem leben in keinem anderen EU-Staat weniger Haushalte in den eigenen vier Wänden als in Deutschland. Beunruhigend ist insbesondere die Entwicklung bei den unter 45-Jährigen, deren Wohneigentumsquote im zurückliegenden Jahrzehnt deutlich abgenommen hat. Die Bildung von Wohneigentum muss für die breite Mitte der Gesellschaft, für Menschen mit normalem Einkommen und für Familien möglich sein. Das eigene Zuhause darf kein Luxusgut sein.


Bezahlbarer Wohnraum ist gerade in Ballungsräumen ein knappes Gut. Wo nicht genügend Wohnraum zur Verfügung steht und die Mieten drastisch steigen, hilft vor allem eines: Bauen! Nur ein größeres Wohnraumangebot löst langfristig den Mangel. Hier muss insbesondere das Wohnungsangebot für Menschen mit geringem und mittlerem Einkommen sowie mit Kindern besser gefördert werden. Wohnen darf nicht zur neuen sozialen Frage werden. Zudem müssen wir die unterschiedlichen Bedürfnisse von Älteren und Jüngeren, von Einzelpersonen und Familien stärker berücksichtigen. Klimaanpassung, Barrierefreiheit und neuere Entwicklungen der letzten Jahre müssen bei neuen Wohnprojekten mit einbezogen werden. Unser Ziel ist, dass auch Wohnen und Arbeiten unter einem Dach besser gelingen kann.


Um mehr Wohnraum zu schaffen, muss das in den letzten Jahren verloren gegangene Vertrauen, bei denen zurückgewonnen werden, die investieren sollen. Die Abschaffung des von der Union 2018 durchgesetzten Baukindergeldes, das Förderstopp-Chaos der Ampel um das vorgezogene Ende des Programms für energieeffiziente Gebäude der KfW sowie der monatelang offen ausgetragene Streit in der Regierung um das Gebäudeenergiegesetz haben die Menschen verunsichert und Vertrauen zerstört. Sowohl Bürgerinnen und Bürger als auch die Wirtschaft brauchen klare Perspektiven und längerfristige Rahmenbedingungen für die Planungssicherheit ihrer Bauinvestitionen – gerade auch in der aktuell so angespannten Lage mit Lieferkettenproblemen, den Folgen der Zinswende sowie drastischen Preissteigerungen.


Die Baugenehmigungen in Deutschland für Wohnungen gehen seit Anfang 2022 teils dramatisch zurück und erreichen kritische Tiefstände. Angesichts von Wohnungsmangel und Sanierungsstau darf die aktuell angespannte Lage nicht zu einem Baustillstand in unserem Land führen, der die ambitionierten Ziele im Wohnungsbau sowie die Transformation im Gebäudesektor gefährden würde und der eine dauerhafte Fachkräfteabwanderung zur Folge hätte.


Um die von der unionsgeführten Bundesregierung 2021 beschlossene Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen, brauchen wir eine Politik mit neuen Ansätzen, die Innovationen möglich macht. Nachhaltigkeit, das Soziale und die Eigentumsförderung denken wir zusammen. Wir setzen klare Prioritäten bei Zukunftsinvestitionen und haben konkrete Vorstellungen, wie wir die Menschen individuell unterstützen und das Wohnen der Zukunft gestalten.


1. Förderung der Wohneigentumsbildung:

Die Immobilienpreise sind seit Anfang des letzten Jahrzehnts kontinuierlich gestiegen, seit 2015 sogar überproportional im Vergleich zu den Einkommen. Um die Eigentumsbildung zu erleichtern, sollte den Ländern finanziell ermöglicht werden, einmalig beim Erwerb selbstgenutzten Wohneigentums für Familien einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer von bis zu 250.000 Euro pro Erwachsenen und 150.000 Euro pro Kind einzuführen. Die Eigenheimrente, die im Rahmen der Riesterförderung bespart werden kann, liefert einen wichtigen Beitrag zur Eigenkapitalbildung und zur energetischen Sanierung von Wohnimmobilien. Im Zuge der aktuellen Reformdiskussion der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge sollte das Instrument der Eigenheimrente weiterhin bestehen bleiben!


2. Sozialen Wohnungsbau stärken:

Die Anstrengungen beim Bau bezahlbaren Wohnraums müssen intensiviert werden. Menschen mit geringeren Einkommen trifft der Mangel an bezahlbarem Wohnraum besonders. Auch wer in den unteren Einkommensgruppen der Polizei, der Feuerwehr oder anderer Blaulicht-Organisationen, der Pflege oder im Handwerk tätig ist, muss sich eine angemessene Wohnung

leisten können. Trotz realisierter sozialer Wohnbauprojekte fallen immer mehr öffentlich-geförderte Wohnungen aus der Preisbindung. Daher müssen Kommunen die Möglichkeit erhalten, wie von der CDUgeführten Landesregierung Nordrhein-Westfalen initiiert, Miet- und Belegungsbindungen an bestehenden Wohnungen zu erwerben und damit den preisgebundenen Wohnraum kurz- bis mittelfristig zu sichern. Zudem muss es Unternehmen erleichtert werden, preisgünstige Mitarbeiterwohnungen zu bauen bzw. bestehenden Wohnraum zum Zwecke der Vermietung an ihre Mitarbeiter zu erwerben.


3. Familien stärker fördern:

Kinder sind die Zukunft unserer Gesellschaft. Wer Kinder hat, soll daher bei erstmaligem Erwerb selbstgenutzten Wohneigentums zusätzliche Unterstützung erlangen. Im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel soll die Wohneigentumsbildung insbesondere für Familien mit geringen und mittleren Einkommen durch Tilgungsstreckung oder Zinsvergünstigungen, etwa über die KfW, unterstützt werden. Die Höhe der Förderung soll sich dabei an der Anzahl der Kinder und am Haushaltseinkommen orientieren. Zudem bieten Kreditausfallgarantien gerade jungen Familien mit geringem Eigenkapital die Möglichkeit, selbst Eigentum zu erwerben. Unsere westlichen Nachbarländer zeigen, wie dadurch mehr Menschen zu eigenem Wohnraum kommen können.


4. Wohnraumoffensive für Auszubildende und Studierende:

Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum darf nicht zur Hürde werden, um eine Ausbildung oder ein Studium fern des bisherigen Wohnortes aufzunehmen. Unser Arbeitsmarkt benötigt in den kommenden Jahren gut ausgebildete Menschen mehr denn je. Daher gilt es, erheblich größere Anstrengungen zur Förderung von bezahlbarem Wohnraum zu unternehmen, wobei das Jugendwohnen für Auszubildende genauso gefördert werden muss wie der Wohnraum für Studierende. Auch sollen Hochschulflächen für Wohnzwecke zur Verfügung gestellt werden. Insbesondere gemeinnützige Träger des sozialpädagogisch begleiteten Jugendwohnens müssen durch einen vereinfachten Zugang zu Fördermöglichkeiten besser eingebunden werden. Im ländlichen Raum sollten zudem Pilot-Projekte für ein dezentral organisiertes Angebot des Jugendwohnens aufgelegt werden. Auszubildende müssen in allen Regionen gleichwertige Chancen haben. Die Förderung darf nicht auf den großstädtischen Raum beschränkt bleiben. Für Ausbildungs- und Berufspendler zwischen Stadt und Land braucht es den bedarfsgerechten Ausbau von ÖPNV, Straßen- und Radverkehrsinfrastruktur.


5. Barrierefreiheit und altersgerechtes Wohnen sicherstellen:

Die meisten Seniorinnen und Senioren wünschen sich, möglichst lange in den eigenen vier Wänden selbstständig leben zu können. Der Wohnungsmarkt ist jedoch auf die Alterung unserer Gesellschaft nicht gut genug vorbereitet. Daher braucht es mehr Anreize für barrierefreies Wohnen und eine auskömmliche Ausstattung für die KfW-Programme zum altersgerechten und barrierefreien Umbau. Auch das Mehrgenerationenwohnen und alternative Entwürfe des gemeinschaftlichen Wohnens sind wichtige Elemente des Lebens im Alter und bestmöglich zu unterstützen. Hürden und Hindernisse beim Ausbau dieser Wohnkonzepte sind abzubauen.


6. Bürgerinnen und Bürger aktivieren, Anreize für Nachhaltigkeit setzen:

Bauliche Anpassungen aufgrund des Klimawandels und die Umstellungen auf nachhaltiges Wirtschaften im Gebäudesektor sind

dringend nötig. Statt auf Dirigismus und Bürokratie setzen wir auf die Eigenverantwortung der Menschen, um ihre Bestandsbauten im wohlverstandenen eigenen Interesse zu modernisieren. Wer selbst einen Beitrag leistet zur klimagerechten Modernisierung und zu mehr Nachhaltigkeit, soll stärker unterstützt werden, etwa durch die Möglichkeit von praxisnah ausgestalteten, degressiven Sonderabschreibungen (AfA). Dabei gilt es, Bürgerinnen und Bürger durch fördernde Rahmenbedingungen zu befähigen, um mit eigenen Initiativen vor Ort die Energiewende zu gestalten. Nur durch verstärkte Anreize können die Menschen motiviert werden, damit der beschlossene Weg zur Klimaneutralität bis 2045 in Deutschland erfolgreich gelingt. Wir ermutigen die Rohstoff- und Bauwirtschaft zu neuen Lösungen beim Bauen mit klimaeffizientem Zement oder anderen klimafreundlichen oder recycelten Baustoffen und setzten entsprechende Anreize für Bürgerinnen und Bürger. Neben der Förderung zur baulichen Klimaanpassung und zur energetischen Sanierung soll Photovoltaik unbürokratischer und schneller an Balkonen, auf Dächern und an Fassaden installiert werden. Wir brauchen zudem innovative Ansätze, wie kommunale Interessengemeinschaften, die Menschen an der Energiewende aktiv beteiligen. Von einem grundlegenden Wechsel vom Baustandard EH55 auf EH40 raten wir aufgrund des geringen Zusatznutzens für das Klima ab. Die hierfür erforderlichen Mittel sind mit Blick auf das CO2-Einsparpotential an anderer Stelle weitaus besser angelegt. Die geringe Nachfrage bei der aktuellen Neubauförderung des Bundes beweist, dass der EH-40-Standard mit seinen allerhöchsten energetischen Anforderungen ungeeignet und zu teuer ist.


7. Deutscher Rentenversicherung Investitionen ermöglichen:

Bereits im Sommer 2023 ist klar, dass die von den Ampel-Fraktionen getragene Bundesregierung ihr Ziel von 400.000 Wohnungen pro Jahr in der laufenden Legislaturperiode bis 2025 dramatisch verfehlen wird. Und nach Expertenschätzungen ist der Bedarf an Wohnraum sogar noch deutlich höher. Darum braucht es eine Investitionsmobilisierung durch neue Akteure im Wohnungsbau. Die Rentenversicherung als Körperschaft des öffentlichen Rechts ist ein maßgeblicher Akteur im System der Sozialen Sicherung. Im anstehenden Reformprozess muss sie durch Anpassung gesetzlicher Regelungen wieder die Möglichkeit bekommen, einen Teil der Nachhaltigkeitsrücklage und der Versorgungsrücklage für die Pensionen in den gemeinnützigen

Wohnungsbau zu investieren. Hierdurch kann sich die Rentenversicherung an Wohnungsbaugesellschaften beteiligen oder günstige Darlehen zur Verfügung stellen, ohne dass der öffentliche Haushalt dadurch zusätzlich belastet wird.


8. Private Investitionen anreizen:

Der in den kommenden Jahren zu erwartende hohe Bedarf an neuen Wohnungen kann nur gedeckt werden, wenn private Investitionen mobilisiert werden. Der Staat ist hier aufgrund begrenzter finanzieller Mittel überfordert. Zu den wirkungsvollsten Maßnahmen der Förderung gehören degressive Abschreibungen ebenso wie der Verzicht auf vertrauensschädigende Maßnahmen. Mietdeckel, Preisbremsen, die Herausnahme von Grundsteuern aus der Umlagefähigkeit oder eine Beteiligung der Vermieter an Heizkosten sind allenfalls geeignet, privates Kapital abzuschrecken und den Wohnungsnotstand zu verlängern. Wenn eine Wohnung oder ein Eigenheim zur eigenen Nutzung erworben wird, müssen die Nebenkosten des Eigentumserwerb (Grundbuchgebühren, Notarkosten) spürbar gesenkt werden.


9. Wohnungsbaugenossenschaften unterstützen:

Wohnungsbaugenossenschaften sind weitere wichtige Akteure am Wohnungsmarkt. Sie schaffen und sichern für ihre Mitglieder bezahlbaren Wohnraum. Genossenschaftliches Wohnen, etwa in kommunaler Hand, muss durch Vorkaufsrechte und preisgünstige Veräußerung öffentlicher Liegenschafen im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel stärker

gefördert werden.


10. Wohnflächen mobilisieren, Genehmigungsverfahren vereinfachen und beschleunigen:

Kostentreibende bauliche und genehmigungsrechtliche Anforderungen müssen vereinheitlicht und vereinfacht werden, um etwa auch serielles Bauen über Ländergrenzen hinweg zu ermöglichen. Einzelne DIN-Normen müssen dafür in den Bauordnungen überprüft werden. Im Sinne eines Wettbewerbs im deutschen Föderalismus ist die NRW-Initiative der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung, Ina Scharrenbach, zu begrüßen, die Mindeststandards bei Vorschriften und technischen

Baubestimmungen des Landes praxisnah auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Baurelevante DINVorschriften müssen auf den Prüfstand, um Bauen in der Breite ressourcenschonender und günstiger zu machen. Die Genehmigungsverfahren müssen durch Digitalisierung und Entbürokratisierung weiter beschleunigt werden. Zudem gilt es, die Rahmenbedingungen zur Umnutzung von Gewerbeimmobilien zu vereinfachen, um zusätzlichen Wohnraum zu mobilisieren und Innenstädte langfristig lebendig zu halten.

Auch müssen mit den Kommunen verstärkt Initiativen zur Baulandgewinnung insbesondere auf Brach- und Konversionsflächen entwickelt sowie die Umnutzung und der Ersatzneubau auch im Außenbereich erleichtert werden, um dem Wohnraummangel insbesondere im ländlichen Raum entgegenzuwirken. Die Engpässe im Planungs- und Genehmigungsbereich müssen primär durch gesetzliche Vereinfachungen beseitigt werden. Darüber hinaus brauchen wir eine klare Priorisierung und Umschichtung von Personal in den zuständigen Kommunalverwaltungen. Daten, die den Behörden vorliegen oder aus vorangegangen Verfahren bekannt sind, müssen nutzbar gemacht werden. Datenschutzrechtliche Hürden müssen abgebaut werden. Die Schaffung von Wohnraum liegt im überragenden öffentlichen Interesse. Zur Überwindung der aktuellen Wohnungsknappheit soll die Schaffung von Wohnraum als vorrangiger Belang in den Genehmigungsverfahren berücksichtigt werden.

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